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Finnischer Sommer - Birkenholzfeuer (1)

Finischer Sommer | Finnland mit Kinder und FahrradFinischer Sommer | Finnland mit Kinder und FahrradFinischer Sommer | Finnland mit Kinder und FahrradFinischer Sommer | Finnland mit Kinder und Fahrrad

Ein finnischer Sommer | Zu viert mit Tandem und Radanhänger im Land der tausend Seen

Birkenholzfeuer (1)

von Axel Bauer
Alles kann kommen wie es will | Ich stehe mit Schweißtropfen auf der Stirn vor unserem alten VW Passat auf der einen Seite und dem Berg Gepäck, dem Fahrrad, dem Tandem, dem Kinderanhänger auf der anderen Seite. Stunden später, im gepackten Auto, sehen die beiden Kinder Smilla (4) und Selma (10 Monate) aus wie Sardinen in der Büchse. Bis Rostock mit dem Auto und von da mit der Fähre nach Finnland. Und dann endlich aufs Rad. Ehrlich gesagt, es könnte alles so entspannt sein. Ist es aber nicht. Selma bekommt einen Zahn und wir beiden Erwachsenen sind überarbeitet und leicht reizbar. Allein Smilla strahlt stoische Ruhe aus. Genau diese Ruhe nach der sich alle Erwachsenen sehnen, diese "alles kann kommen wie es will" Ruhe. Wie in einem Film laufen die letzten Wochen an mir vorbei. Als wir den Chariot Doppelkinderanhänger bekommen haben, das Gefährt für die Kleinste und der Rückzugsort für die Grosse auf Reisen. Und natürlich das Tandem, auf dem Smilla ihren neuen Platz hat, mitradeln kann und wo ihre Mami ihr die geliebten Geschichten ins Ohr flüstert. Wenn man Kinder hat, lernt man sich immer wieder neu anzupassen, besonders wenn man mit ihnen in die Welt hinaus radeln will. Und unsere Welt heißt nun Suomi - Finnland. Es ist ein Land wie eine unendliche Perlenkette aus Seen und Wäldern, aus stillen Bewohnern und unendlich viel Licht im Sommer. Wir sind voller Neugier!
Es riecht nach Birkenholzfeuer | Eigentlich starten wir von Lahti aus, da wir mit dem Zug aus dem Strassengewirr der Hauptstadt Helsinki geflohen sind. Lahti, genau das ist dieser Skiort mit Sprungschanzen und Langlaufloipen. Doch wir sehen den Anlaufturm der Schanze nur als Silhouette. Vor uns liegt einer der 187.888 Seen im nächtlichen Dämmerlicht auf dem eine schwimmende Sauna vorbei tuckert. Es riecht nach Birkenholzfeuer. Tervetuloa - Willkommen, wir sind angekommen.
Finnland war für uns eine Bauchentscheidung. Vielleicht weil Finnland sich so klar anhört, vielleicht weil mein ehemaliger Professor ein Finne ist und alles Förmliche ablehnte? Ich stelle mir die Frage, wohin wir radeln wollen, was ist unser Ziel? Da fällt mir ein Bild in die Hände: ein Weg, eine kleine Birkenallee im Gegenlicht, am Ende ein See. Geschrieben steht: "Wohin in Finnland? Vielleicht am Ende des Tages zu einem einsamen Platz am See mit einer Sauna davor." Ich finde dies so inspirierend und so folgen wir der Kompassnadel einfach gen Norden.
Aus "Versehen" | An den ersten Tagen sind wir sehr mit uns selbst beschäftigt. Besonders morgens und abends arbeiten wir noch heftig an der Zusammenarbeit. Zum Beispiel dann, wenn bei allem der große Hunger kommt, das Zelt noch nicht steht, es anfängt zu regnen, Selma sich gerade Sand zum probieren in den Mund geschoben hat und Smilla aus "Versehen" mit den Matschschuhen über mein Tagebuch läuft. Wenn sich schon fast Verzweiflung breit machen will, dann bringt es Smilla mit ihrem neuen Spruch auf den Punkt: "Stimmt`s Papa, mit 2 kleinen Kindern zu reisen ist nicht so einfach." Das ist es wirklich nicht, aber wir werden von Tag zu Tag besser. Wir verteilen die Aufgaben und noch wichtiger, wir fangen alle an uns zu entspannen.
Ohne die Dunkelheit der Nacht wacht unser Baby schon vor 6.00 Uhr morgens auf und macht sich einen Spass daraus, alle im Zelt zu wecken. Wenn man am Tag zuvor ordentlich in die Pedale getreten hat, fühlt sich dieser Weckdienst nicht gerade gut an. Doch wie sollte ich diesem goldenen Kinderlachen mit 7 Zähnen widerstehen können?

Unsere Karawane | Es lacht die Sonne, es wird ein guter Tag. Aus den Nudeln von gestern werden Milchnudeln zum Frühstück. Wenn alle hungrigen Mäuler satt sind und jeder seinen Platz auf den Rädern gefunden hat, startet unsere Karawane. Danke lieber See! Danke liebe Wiese! Jeder dieser Schlafplätze ist einzigartig.
Wibke fährt mit Smilla auf dem "Doppeltfahrrad" hinter mir. Ich verstehe aus dem Monolog nur ein paar Wortfetzen und kann mir aus "Brillan das Oberhuhn" und "Frau Anderson" zusammenreimen, dass Wibke ihr zum 17. mal "Peterson geht zelten" erzählt. Aber es kommen auch Märchen dran, Geschichten und Lieder. Das Repertoire und der Unterhaltungsdurst einer 4 jährigen kann riesig sein und ohne Buchunterstützung wird es für Wibke zur Gripsgymnastik. Die Anstrengung auf dem Rad wird zur Nebensache. Ich selbst habe diese Ablenkung nicht und spüre die Trägheit der Masse des beladenen Rades mit Hänger und stemme mich gegen die Hangabtriebskraft, die nicht will, dass ich den Anstieg hoch komme. Die Meldung des Gehirnes aus der Vernunftecke sagt mir: Du musst da hoch, oder soll das arme Kind wegen dir hier liegen bleiben? Die Beine gehorchen prompt.
Wenn du in Finnland auf dem Rad sitzt und einen dieser kühlen Sommermorgen erwischt, diese schmackhaft frische Luft in deine Lungen strömen lässt, der Schatten der Birken dir auf der Nase tanzt, dann fällt alles von dir ab. Als Steigerung gilt nur, wenn der Weg so abseits liegt, dass du zur Überzeugung kommst, alle Autos sind abgeschafft worden. Smilla beginnt dann meist das neugelernte Lied "Kein schöner Land..." zu trällern. Gut 700 km fahren wir so durch die Wälder Süd- und Mittelfinnlands ohne Hast aber mit dem Ziel "vielleicht am Ende des Tages zu einem einsamen Platz am See mit einer Sauna davor" zu kommen.

Viele Grüße aus der Karawane von
Selma, Smilla, Wibke und Axel

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