Transmarocco - Chili & Pfeffer (1)
Trans Marocco | Marrakech nach Malaga per Rad
► Chili & Pfeffer (1)
von Axel Bauer
Alaska gebleichte Winterlinge | Als sich die Tür des Flugzeuges öffnet, strömt genau diese warme und würzige Luft uns entgegen, die wir uns herbeigesehnt haben. Sie dringt bis ins Mark und löst sogleich den Drang aus, alle Wintersachen von einem zu werfen. Mit einem Mal sind wir im Frühling, sind wir in Marrakesch, der quirligen Stadt im Süden Marokkos.
Wir (Tobias und ich) sind mit dem Plan gestartet uns von eben diesen Marrakesch bis nach Malaga in Spanien per Rad durchzuschlagen. Doch erst einmal wollen wir mit dem Kopf hier ankommen und den Alltag zu Hause lassen. Der Hunger treibt uns in eine der Garküchen in die Altstadt, die Medina. Hier umströmen uns die Düfte von fremden Gewürzen, da frischer Cumin, dort etwas scharfer Chili und hier Pfeffer. Wahrscheinlich hat uns Marrakesch mit seinen arabischen Hauch etwas benebelt. Jedenfalls starten wir nicht wie geplant in nördliche Richtung, sondern nach Süden. Es zieht uns in die Berge, den Hohen Atlas, und dann wollen wir in die Wüste. Das wäre ein Traum! Nach dem ersten Radtag, der uns Alaska gebleichteWinterlinge mit gut 35°C von der falschen Seite erwischt, relativieren wir unsere Vorhaben. Wir sollten von Tag zu Tag denken, sonst setzen wir uns doch nur wieder unter Druck.
Scharlachrot, oft sandiggelb, teilweise auch erdigbraun | Ganz leise rollen wir in der rötlichen, manchmal auch gelben und staubigen Landschaft dahin. Am Nordhang des Atlas blühen die Kirschbäume, die Wiesen werden grün, wo Wasser vorhanden ist. Die Häuser und Hütten der Berber verschmelzen mit der Umgebung in der sie stehen. Ja, genau weil sie das Baumaterial benutzen was vor Ort zu finden ist. Manchmal sind ihre Farben scharlachrot, oft sandiggelb, teilweise auch erdigbraun. Ökologischer, Nachhaltiger und Schadstoff freier kann man nicht bauen!
Geht es bergauf rennen oft Kinder neben uns her. In Scharen halten sie sich an unseren Gepäckträger fest, ziehen am Lenker oder versuchen andere lustige Tricks um auf sich aufmerksam zu machen. Auf jeden Fall wird es kein langweiliger Anstieg zum Tizi-n-Tichka-Pass bis auf 2200m Höhe, bei dem uns auch der sandige Gegenwind die Aufstiegsgeschwindigkeit drosselt. "Alles Kopfsache" würde meine Freundin Wibke lapidar dazu sagen.
Auf dem Pass steigen Touristen aus Wohnmobilen aus, Lkw Fahrer füllen Wasser auf und Steinverkäufer finden, dass wir sehr gut in ihr Beuteschema passen. Tobi macht ihnen klar, dass wir Steine nicht essen können und wir einfach nur Hunger haben. "Brot, Brot" sagt der Berber der eine getauschte italienische Daunenjacke trägt, und senkt den Preis der funkelnden Steine um 30%. Er bleibt beharrlich und "bearbeitet" uns solange bis wir ihm ein paar Münzen geben und schließlich mit Hunger und Stein in die Abfahrt gehen.
Das Gefühl für Zeit | Von nun an folgen wir der alten Handelstrasse, auf der Jahrhunderte lang Waren der Wüstenvölker in die Königsstädte in den Norden gebracht wurden. Auf dem Weg liegt die fast verfallene Kasbah Teluet. Dies ist für mich ein magischer Ort auf diesem Planeten. Bereits mit Wibke und unserer Tochter Smilla war ich hier und wir sind eingestiegen in das Phantasiereich vergangener Zeiten. Doch was ist das Besondere? Von aussen sieht man eine Tröpfelburg aus Lehm. Aus dem Innenhof führt eine schmale Treppe eine Etage höher. Hier sind die Wände weiß gekalkt, der Wind hat roten Staub abgelegt. Eine Tür in der Form eines Schlüsselloches führt zum Herzstück, den "königlichen" Gemächern. Eine Glasdecke spannt sich über den Hauptraum und beleuchtet diesen mit diffusem Licht. Tausende kleinste Mosaikfliesen bilden Ornamente und zusammen ergeben sie einen bläulichen Farbklang der berauscht. Schließt man einen Moment die Augen, entschwindet einem das Gefühl für Zeit, man entflieht hemmungslos aus dem hier und jetzt.
Auf dem Fahrrad haben wir die Zeit alles zu verdauen, nachzudenken. Gott (oder Allah) sei Dank, dass wir so langsam unterwegs sind. So vergehen die Tage auch gefühlt langsamer als zuhause. Und das ist gut so.
Eine nächste Kasbah (Wohnburg) liegt am Weg. Ait Benhaddou. Schon oft diente sie als Filmkulisse, doch hatte sie für uns nicht diese Magie. Dafür gibt es wieder viele Händler. Und mit einem hatten wir besonderen Spass. Wir verstanden uns, veralberten uns und kamen aus den Lachen nicht mehr heraus. Und er verkaufte uns (wunderschöne) Ketten. So funktioniert business auf Arabisch. Doch wir waren es zufrieden.
Ob wir irgendwann unseren Lenker auf Richtung Europa drehen werden oder eher den Tuaregs in die Wüste folgen, lest ihr im nächsten Teil.