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Im Paradies
ein Artikel über unsere Reise zu Fuß durch Georgien und die Speedbesteigung des 5047 m hohen Kazbek in Georgien Exclusiv im Gear-Magazin. ...zum kompletten Artikel als PDF

Artikel Georgien Kaukasus - Axel Bauer

Georgien, Kaukasus - ...andere Welt (1)
Georgien-Trekking im Kaukasus-Axel BauerGeorgien-Trekking im Kaukasus-Axel BauerGeorgien-Trekking im Kaukasus-Axel BauerGeorgien-Trekking im Kaukasus-Axel BauerGeorgien-Trekking im Kaukasus-Axel BauerGeorgien-Trekking im Kaukasus-Axel BauerGeorgien-Trekking im Kaukasus-Axel BauerGeorgien-Trekking im Kaukasus-Axel Bauer

Kaukasische Entdeckungsreise


Die Fahrt in eine andere Welt (1)

Umgeben von sattgrünen Wiesen | Der Tag ist fast zu schade zum verreissen, denke ich mir, als wir an einem klaren Augustmorgen im Zug zum Berliner Flughafen sitzen. Die Sonne blinzelt ins gekühlte Abteil. In der Langeweile des eintönigen -Tick Tick, Tack Tack- der Schienenstösse kehre ich in Gedanken zur Idee der anstehenden Reise zurück.
2010, als Tobias und ich auf dem Weg zum russischen Eiskoloss Elbrus waren, schweifte unser Blick auf die riesigen und bizarren Gebirgszügen des Kaukasus. Wir erfuhren damals von den Gebieten südlich des Hauptkammes, wo alles anders sein sollte. Es soll ein Gebiet geben, was Jahrhunderte von der Aussenwelt abgeschnitten war, wo sich noch uralte Bräuche und Sitten finden lassen. In meiner Phantasie malte ich mir die Bergdörfer aus, umgeben von sattgrünen Wiesen, weidenden Pferden, versunken in der grandiosen Landschaft. Ich hörte den tosenden Fluss, der das trübe Gletscherwasser und die rumpelnden Steine ins Tal mit sich reissen. Es war wohl die kindliche Neugier, die in mir gefragt hat, was dort hinter den Bergen liegt. Vor 2 Jahren und so heute auch noch, ist es aus politischen Gründen nicht möglich, von Russland über einen hohen Pass den Kaukasus zu überqueren, um die Gebiete südlich davon zu erreichen. Doch so ein Gedanke, wie von diesem entrücktem Land, kommt und geht auch wieder. Er bleibt verschwunden bis das Fernweh kommt, einem das Hochtechnisierte aufstösst und die Seele nach Einfachheit schreit.
Angst vor dem Unbekannten | Tobias und ich besteigen nicht viel später das Flugzeug nach Tiflis, der Hauptstadt von Georgien. Es ist ein Land, welches in den 90er Jahren im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion eigenständig wurde. 2008 verlor das Land im Kaukasischen 5-Tageskrieg jedoch 2 große Landesteile an dem überlegenen Gegner Russland. In unseren Medien erscheint der Kaukasus ausschließlich als Konfliktherd und Meldungen über Auseinandersetzungen in Tschetschenien, Abchasien oder Südossetien lassen die Reiselust in die unberührten Berggebiete schwinden. Die Lage ist jedoch weitaus differenzierter zu betrachten und eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation im Land lohnt sich allemal. So stuft selbst das vorsichtig agierende Auswärtige Amt die Lage in den übrigen Landesteilen Georgiens, also außerhalb der separierten Gebiete, als ruhig ein.
Symphatisch und Hilfsbereit | Ich beobachte gerade meinen Reisepartner Tobias beim Kraftakt des Rucksackaufsetzen und habe gleichzeitig das dumpfe Gefühl, er wird von demselben bald erdrückt. Wie komisch sehe ich Windhemd wohl unterm Meinem aus, der nicht leichter ist? Dabei habe ich nur 2 T-Shirts, eine kurze und eine lange Hose im Gepäck. Doch dazu gesellt sich ein Zelt, Schlafsack und Isomatte, Kletterseil und Gurt mit Sicherungsmaterial, Steigeisen, Bergschuhe, Eispickel, Kochutensilien, 3 kg Trockennahrung und wohl tausend andere wichtige Dinge.
Gut 24 Stunden nach unserem Aufbruch zu Hause sind wir mit einer Marschrutka (Sammeltaxi in Kleinbusformat) von der Hauptstadt Tiflis nach Kutaisi gefahren. Wir wollen jedoch noch ein Stück weiter. "Lentekhi, Mestia?" frage ich die Leute auf dem Abfahrtsplatz in die Berge. In solchen Ländern wie Georgien kommt man immer weiter. Man sollte nichts buchen, vor allem sollte man sich keine Gedanken machen wie und wo. Es geht immer weiter und meist sofort. Die Georgier sind sehr symphatisch, ruhig und außerordentlich hilfsbereit.
Geschüttelt oder Gerührt | Wir wollen nach Swanetien kommen, in das Gebiet, das südlich des Elbrus liegt. Ja genau das, was so entlegen ist und um das sich genauso viele Mythen ranken. Der Fahrer des Landrover-Jeeps bittet uns einzusteigen. Die vorderen Plätze sind bereits belegt und die beiden seitliche, hinteren Sitzbänke sind nach deutschem Maßstab ebenso besetzt. Lautlos rücken alle zusammen und machen uns Platz. In der Sonne heizt sich das noch stehende Auto auf, manche Frauen wedeln sich Luft zu, die Kinder sitzen oder liegen auf dem Schoss ihrer Mütter. Nachdem noch "einige" Mitfahrer gekommen sind, alle ihr Gepäck auf das Dach gestapelt haben, entscheidet der Fahrer, dass wir mit 14 Erwachsenen (+Fahrer) und 4 Kindern voll sind. Es geht los. Nicht nur bildlich gesehen, auch ganz reell sind wir mittendrin, statt nur dabei. Speziell dann, als der Teer aufhört und aus der Strasse ein Weg wird und aus dem Schaukeln ein Durchschütteln. Als mein linkes Bein einschläft gebe ich eine Runde Nüsse aus. Geziert lehnen die älteren Frauen ab und die Kinder greifen verschämt zu. Nach 2 Stunden übergibt sich ein kleines Mädchen und eine erste ersehnte Pause steht an. Danach übrigens werden die Pausen durch 2 Reifenpannen eingeleitet. Mich erstaunt die stoische Ruhe der Leute mit der sie alles ertragen. Macht die Hitze so willenlos? Es gibt kein Murren oder Maulen, keine Klimaanlage, keine glatte Teerstrasse. Ich sehe zufriedene Gesichter, junge Frauen aus Tiflis, die ihre Eltern besuchen kommen. Männer, die Zement in der Stadt gekauft haben und morgen am Haus weiterbauen. Mütterchen die 2 Sack Mehl zum Backen mit nach Hause nehmen und mit leckerem Gebäck ihre Enkel verwöhnen.
Sorok dwa! | Die Dörfer, die wir jetzt erreichen, bestehen aus einzelnen Gehöften mit großem Gemüsegarten rundherum. Freilaufende Kühe oder Schweinefamilien blockieren oft den Weg. Unser Fahrer biegt mal links mal rechts des Hauptweges ab und liefert hier mal eine Gasflasche und dort mal ein Mehlsack ab. Wenn jemand in die Stadt fährt, muss er für viele etwas erledigen und mitbringen. Kurz vor Einbruch der Dämmerung lässt uns der Fahrer in Mele, dem letzten Dorf heraus. Endstation. "Wie weit ist es noch bis Ushguli?", frage ich. "Sorok dwa!" (42 km). Ushguli ist das erste Dorf in Swanetien, was wir auf dieser Strecke erreichen können. "Das machen wir morgen, heute nicht mehr." raunt mir Tobias zu. Am Dorfende stellen wir das Zelt auf und essen ein paar Weißkohlblätter und Brot zu Abend. Reste aus der Verpflegung für die Flugreise.

➜ zum 2. Teil

➜___ Lentekhi - Ushguli | Kaukasus, Georgien | © Axel Bauer___✖

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